Wegzugsbesteuerung ETF: Das müssen Anleger wissen

Ab 2025 tritt eine bedeutende Änderung in der deutschen Steuerlandschaft in Kraft: die Erweiterung der Wegzugsbesteuerung auf Anteile an Investmentvermögen wie ETFs und Fonds. Diese Anpassung betrifft insbesondere Anleger, die planen, Deutschland dauerhaft zu verlassen.

Was bedeutet das konkret?

  • Wer dauerhaft ins Ausland zieht, muss dann möglicherweise auf fiktive Kursgewinne Steuern zahlen – obwohl er seine ETFs gar nicht verkauft hat.
  • Es wird also so getan, als hätte ein Verkauf stattgefunden – mit entsprechender Steuerlast.
  • Ziel: Verhinderung von „steuerfreien Wegzügen“ bei hohen Gewinnen.

Was Sie als ETF-Investor darüber wissen sollten, erfahren Sie hier.​

Was ändert sich ab 2025?

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wird die Wegzugsbesteuerung auf Anteile an Investmentvermögen ausgeweitet. Dies bedeutet, dass auch ETFs und Fondsanteile im Privatvermögen künftig der Wegzugsbesteuerung unterliegen können, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Was ist die Wegzugsbesteuerung?

Die sogenannte Wegzugsbesteuerung greift immer dann, wenn jemand mit einer größeren Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft – also z. B. an einer GmbH oder AG – seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Schon eine Beteiligung von mindestens 1% am Unternehmen reicht aus, damit diese Regelung Anwendung findet. Bisher waren Anteile an Investmentfonds, wie ETFs, hiervon ausgenommen.

Das Besondere an der Wegzugbesteueerung von ETFs: Auch wenn die Anteile nicht verkauft wurden, muss der in Deutschland entstandene Wertzuwachs versteuert werden. Es wird also so getan, als hätte ein Verkauf stattgefunden – mit allen steuerlichen Konsequenzen.

Wann greift die neue Regelung?

Die Wegzugsbesteuerung für Investmentfondsanteile wird relevant, wenn folgende Schwellenwerte überschritten werden:

  • Beteiligungshöhe: Mindestens 1% der ausgegebenen Investmentanteile innerhalb der letzten fünf Jahre.​
  • Anschaffungskosten: Mindestens 500.000 € pro Investmentfonds.

Bei Spezial-Investmentfonds gelten diese Schwellenwerte generell als überschritten.

Wie wird die Steuer berechnet?

Bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen wird ein fiktiver Verkaufsgewinn ermittelt:​

  1. Bemessungsgrundlage: Differenz zwischen Anschaffungskosten und dem Verkehrswert der Anteile am Tag des Wegzugs.​
  2. Steuersatz: Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von 25% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

Angenommen, eine Person möchte aus Deutschland wegziehen und hat Anteile an einem ETF, dessen Wert beim Wegzugstag bei 700.000 Euro liegt. Sie hatte die Anteile vor Jahren für 500.000 Euro gekauft, was einen fiktiven Veräußungsgewinn von 200.000 Euro ergibt. Die Person muss nun den Gewinn versteuern, auch wenn die Anteile nicht verkauft wurden.

Schritt 1: Berechnung des fiktiven Veräußungsgewinns

  • Wert der Anteile am Wegzugstag: 700.000 Euro
  • Anschaffungskosten der Anteile: 500.000 Euro
  • Fiktiver Gewinn: 700.000 Euro – 500.000 Euro = 200.000 Euro

Schritt 2: Steuerliche Belastung – Abgeltungsteuer

Auf den fiktiven Gewinn von 200.000 Euro wird zunächst die Abgeltungsteuer von 25% erhoben.

  • Abgeltungsteuer: 25% von 200.000 Euro = 50.000 Euro

Schritt 3: Berechnung des Solidaritätszuschlags

Auf die Abgeltungsteuer von 50.000 Euro kommt der Solidaritätszuschlag von 5,5%:

  • Solidaritätszuschlag: 5,5% von 50.000 Euro = 2.750 Euro

Schritt 4: Kirchensteuer (falls zutreffend)

Die Kirchensteuer beträgt je nach Bundesland entweder 8% oder 9% der Abgeltungsteuer. Angenommen, die Person lebt in einem Bundesland mit 8% Kirchensteuer:

  • Kirchensteuer: 8% von 50.000 Euro = 4.000 Euro

Schritt 5: Gesamtsteuerlast

Die Gesamtsteuerlast setzt sich aus der Abgeltungsteuer, dem Solidaritätszuschlag und ggf. der Kirchensteuer zusammen:

  1. Abgeltungsteuer: 50.000 Euro
  2. Solidaritätszuschlag: 2.750 Euro
  3. Kirchensteuer (8%): 4.000 Euro
  • Gesamtsteuerlast: 50.000 Euro + 2.750 Euro + 4.000 Euro = 56.750 Euro

Effektiver Steuersatz

Der effektive Steuersatz ist der Prozentsatz der Steuer im Verhältnis zum fiktiven Gewinn von 200.000 Euro.

  • Effektiver Steuersatz = (Gesamtsteuerlast / fiktiver Gewinn) × 100
  • Effektiver Steuersatz = (56.750 Euro / 200.000 Euro) × 100 ≈ 28,375%

Gibt es Ausnahmen oder Gestaltungsmöglichkeiten?

Ja, durch frühzeitige Übertragung von Fondsanteilen auf nahe Angehörige können steuerliche Vorteile genutzt werden. Hierbei gelten jedoch bestimmte Freibeträge und Steuersätze, die je nach Verwandtschaftsgrad variieren. Es ist wichtig, solche Transaktionen rechtzeitig und korrekt zu planen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Steuerpflichtiger BetragSteuersatz (Steuerklasse I)
Bis 75.000 €7%
Bis 300.000 €11%
Bis 600.000 €15%
Bis 6.000.000 €19%
Bis 13.000.000 €23%
Bis 26.000.000 €27%
Über 26.000.000 €30%

Wegzugsbesteuerung nur der Anfang? Drohen weitere Verschärfungen?

Viele Finanzexperten sehen die Ausweitung der Wegzugsbesteuerung auf ETFs nicht als Einzelfall – sondern eher als Teil eines größeren Trends: der zunehmenden Besteuerung von Kapital, insbesondere bei internationaler Mobilität. Die politische Stoßrichtung ist klar: Steuervermeidung und Kapitalflucht sollen erschwert werden.

Schon jetzt warnen einige Fachleute, dass die neue Regelung erst der Anfang sein könnte:

  • Weitere Anlageformen wie Kryptowährungen oder Unternehmensbeteiligungen könnten bald ähnlich behandelt werden.
  • Die Freigrenzen (z. B. 500.000 € oder 1% Fondsbeteiligung) könnten gesenkt werden, was deutlich mehr Anleger treffen würde.
  • Auch die Möglichkeit, die Steuerlast zu stunden oder zu strecken, könnte eingeschränkt oder abgeschafft werden.
  • Künftige Änderungen könnten rückwirkend gelten – ein Szenario, das aktuell zwar rechtlich heikel, aber politisch nicht ausgeschlossen ist.

In einem internationalen Vergleich zeigt sich: Viele Länder verschärfen gerade ihre Regeln für Kapitalerträge, Stiftungen, Trusts und Wegzüge. Deutschland zieht mit der Ausweitung ab 2025 nur nach.

Für Anleger bedeutet das: Vorausschauende Planung wird wichtiger denn je. Wer heute schon über einen Wohnsitzwechsel oder Vermögensverlagerung ins Ausland nachdenkt, sollte rechtzeitig handeln – und sich nicht auf den Status quo verlassen.

Fazit: Vorausschauende Planung schafft Sicherheit

Die bevorstehende Ausweitung der Wegzugsbesteuerung ab 2025 ist mehr als nur eine technische Gesetzesänderung – sie ist ein deutliches Signal dafür, dass Kapitalmobilität zunehmend stärker reglementiert wird. Besonders für Anleger mit größeren ETF- oder Fondsbeständen und der Überlegung, irgendwann ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, wird die steuerliche Planung ab sofort zur unverzichtbaren Aufgabe.

Denn: Wer sich zu spät mit der neuen Regelung beschäftigt, riskiert hohe fiktive Steuerzahlungen, ohne dass es zu einem tatsächlichen Verkauf gekommen ist. Solche Szenarien können die persönliche Vermögensstruktur, aber auch langfristige Lebensentscheidungen erheblich beeinflussen – etwa den Ruhestand im Ausland oder die Rückkehr in ein Herkunftsland.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Frühzeitige Vorbereitung schafft Klarheit und Handlungsspielraum. Wer seine Investments jetzt strategisch überprüft, mögliche Schwellenwerte im Auge behält und gegebenenfalls rechtzeitig professionellen Rat einholt, kann sich und sein Vermögen gut aufstellen – sowohl steuerlich als auch finanziell.

Gerade in einer Zeit, in der politische Ideen wie Sozialabgaben auf Kapitalerträge zusätzlich für Unsicherheit sorgen, lohnt es sich, das eigene Portfolio nicht nur nach Rendite, sondern auch nach steuerlicher Effizienz und Zukunftsfestigkeit zu analysieren.

Weitere Beiträge