Fundamentalanalyse
Die Reinvestitionsquote - auch Thesaurierungsquote genannt - ist eine zentrale Kennzahl der Fundamentalanalyse. Sie zeigt an, wie viel des Jahresüberschusses ein Unternehmen nach der Dividendenausschüttung im Unternehmen behält, um es z. B. für Investitionen, Rücklagenbildung oder Schuldenabbau zu verwenden. Diese Kennzahl ist besonders für Investoren wichtig, die den langfristigen Kurswert einer Aktie beurteilen möchten.
Die Reinvestitionsquote misst den Anteil des Nettogewinns, den ein Unternehmen nicht als Dividende ausschüttet, sondern zurückbehält, um ihn im Unternehmen weiterzuverwenden. Je höher dieser Anteil, desto mehr Kapital steht dem Unternehmen zur Verfügung, um eigene Investitionen zu tätigen oder seine Bilanz zu stärken.
Die Reinvestitionsquote ist ein Spiegelbild der Unternehmenspolitik in Bezug auf Kapitalverwendung:
Die Reinvestitionsquote wird oft gemeinsam mit der Ausschüttungsquote betrachtet, um die Gesamtverwendung des Jahresüberschusses zu analysieren. Ergänzend dazu: Die Dividendenstrategie: Definition und Anwendung
Die Ausschüttungsquote gibt an, welcher Anteil des Gewinns eines Unternehmens an die Aktionäre ausgezahlt wird. Die Reinvestitionsquote dagegen gibt an, welcher Anteil einbehalten und im Unternehmen verbleibt.
Zusammenhang: Wenn ein Unternehmen 60 % seiner Gewinne ausschüttet, beträgt die Reinvestitionsquote automatisch 40 %.
Reinvestitionsquote = 100% − Ausschüttungsquote
Während die Ausschüttungsquote für Dividendenanleger eine wichtige Rolle spielt, ist die Reinvestitionsquote vor allem für langfristig orientierte Investoren interessant, die auf Kapitalzuwachs durch Kurssteigerungen setzen.
Die Reinvestitionsquote gibt Aufschluss darüber, wie viel Kapital einem Unternehmen für die zukünftige Entwicklung zur Verfügung steht. Unternehmen, die große Teile ihrer Gewinne einbehalten, signalisieren, dass sie Wachstumschancen sehen und bereit sind, in neue Produkte, Märkte oder Technologien zu investieren.
Ein hoher Wert kann auf folgende Strategien oder Situationen hindeuten:
Gleichzeitig kann eine dauerhaft hohe Reinvestitionsquote auch kritisch gesehen werden - etwa dann, wenn das Kapital nicht effizient verwendet wird oder wenn Aktionäre auf eine angemessene Dividendenrendite verzichten müssen, ohne dafür einen adäquaten Gegenwert in Form von Kurswachstum zu erhalten.
Die Reinvestitionsquote lässt sich auf zwei gängige Arten berechnen - entweder auf Basis der Gesamtzahlen oder auf Basis der Werte je Aktie.
Die Betrachtung der Reinvestitionsquote sollte nicht isoliert, sondern stets im Zusammenhang mit der Gewinnentwicklung, dem Kapitalbedarf des Unternehmens und der Branchenstruktur erfolgen. In kapitalintensiven Branchen (z. B. Maschinenbau, Automobil, Infrastruktur) sind höhere Reinvestitionsquoten oft notwendig. In weniger kapitalintensiven Sektoren (z. B. Finanzdienstleistungen oder Versorger) sind regelmäßige Ausschüttungen üblicher.
Variante 1 auf Gesamtbasis:
Reinvestitionsquote = (Jahresüberschuss - ausgeschüttende Dividenden) / Jahresüberschuss x 100
Variante 2 auf Einzelaktienbasis:
Reinvestitionsquote = (1 - Dividende je Aktie / Gewinn je Aktie) x 100
Beide Berechnungen führen zum gleichen Ergebnis, wenn die zugrunde liegenden Daten korrekt und vollständig sind.
Unternehmen BCD
Berechnung:
(20 − 5 / 20) × 100 = 75
Ergebnis: Die Reinvestitionsquote beträgt 75 %.
Bedeutung:
Das Unternehmen verwendet 75 % seines Gewinns für interne Zwecke - möglicherweise für Investitionen, neue Projekte oder Schuldenabbau. Eine solche Quote kann als Hinweis auf eine wachstumsorientierte Unternehmensstrategie gewertet werden.
Für Anleger, die langfristige Kurssteigerungen anstreben, kann dies ein positives Signal sein. Für Anleger, die auf laufende Ausschüttungen angewiesen sind, könnte die Dividendenrendite hingegen unattraktiv erscheinen. Zu dem Thema haben wir bereits an anderer Stelle alles zusammengefasst: Variables Einkommen: Definition, Beispiele und Bedeutung
Unternehmen XY
Ausschüttungsquote: 8/10 = 80
Reinvestitionsquote: 100% − 80% = 20%
Bedeutung:
Das Unternehmen zahlt einen Großteil seiner Gewinne an die Aktionäre aus. Nur 20 % werden im Unternehmen belassen. Eine solche Quote ist typisch für etablierte Unternehmen mit geringem Investitionsbedarf, etwa im Bereich Telekommunikation oder Versorgungswirtschaft. Anleger mit Fokus auf regelmäßige Erträge (Dividendeninvestoren) könnten ein solches Unternehmen bevorzugen.
Die Reinvestitionsquote ist ein wichtiges Instrument der Anlageanalyse, um Unternehmen nach ihrer Kapitalverwendung zu klassifizieren. Sie liefert Hinweise auf die strategische Ausrichtung eines Unternehmens und hilft bei der Bewertung, ob eine Aktie zur individuellen Anlagestrategie passt.
Langfristige Wachstumsanleger | Hoch (z. B. > 60 %) | Fokus auf Kurswachstum durch interne Investitionen | |||
Einkommensorientierte Anleger | Niedrig (z. B. < 40 %) | Fokus auf regelmäßige Dividendenzahlungen |
Anlegerprofil | Bevorzugte Reinvestitionsquote | Zielsetzung |
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Langfristige Wachstumsanleger | Hoch (z. B. > 60 %) | Fokus auf Kurswachstum durch interne Investitionen |
Einkommensorientierte Anleger | Niedrig (z. B. < 40 %) | Fokus auf regelmäßige Dividendenzahlungen |
Ein differenzierter Blick ist jedoch wichtig:
Eine hohe Reinvestitionsquote ist nur dann positiv, wenn das einbehaltene Kapital effizient investiert wird und eine entsprechende Eigenkapitalrendite erzielt. Andernfalls würde das Kapital unproduktiv gebunden.
Zudem spielt die Branche eine wichtige Rolle. In kapitalintensiven oder wachstumsstarken Sektoren (z. B. Tech, Pharma) sind höhere Reinvestitionsquoten üblich und sinnvoll. In reifen Branchen kann eine niedrige Quote angemessener sein.
Die Reinvestitionsquote gehört zu den zentralen Kennzahlen der Unternehmensanalyse. Sie zeigt, wie stark ein Unternehmen auf Eigenfinanzierung durch Gewinnthesaurierung setzt und welchen Stellenwert die Ausschüttung an Aktionäre einnimmt. Also fassen wir nochmal zusammen:
Eine sinnvolle Bewertung erfolgt immer im Kontext:
Für Anleger liefert die Reinvestitionsquote wertvolle Hinweise darauf, ob die Erträge des Unternehmens in erster Linie zu Ausschüttungszwecken oder zur nachhaltigen Wertsteigerung genutzt werden.