Chartanalyse
Die Zinsstrukturkurve (auch Renditekurve) stellt grafisch dar, wie hoch die Zinssätze für Anleihen mit unterschiedlicher Laufzeit sind - bei gleicher Bonität. In der Regel wird hierfür die Verzinsung von Staatsanleihen verwendet, z. B. deutsche Bundesanleihen oder US-Treasuries. Wer sich mit dem Thema vertiefend beschäftigen möchte, sollte die Funktionsweise von Staatsanleihen – Definition, Zinsen & Rendite kennen, denn ohne Verständnis von Staatsanleihen lässt sich die Aussagekraft der Zinsstrukturkurve kaum richtig einordnen.
Auf der horizontalen Achse steht die Laufzeit (z. B. 1 Monat bis 30 Jahre), auf der vertikalen Achse die entsprechende Rendite. Daraus entsteht eine Kurve, die Aussagen darüber erlaubt:
Die Zinsstruktur ist also ein wichtiger Frühindikator für Konjunkturzyklen, der sowohl von Zentralbanken als auch institutionellen Investoren intensiv beobachtet wird.
Es lassen sich drei typische Grundformen unterscheiden:
Hier steigt die Rendite mit zunehmender Laufzeit. Das bedeutet: Anleger verlangen für längere Kapitalbindung eine höhere Verzinsung, u. a. wegen Risiken wie Inflation oder Unsicherheit.
Interpretation: Eine gesunde Wirtschaft mit Erwartung steigender Zinsen und stabilem Wachstum.
Die Renditen kurzfristiger und langfristiger Anleihen liegen nahe beieinander. Das kann auf einen Übergangszustand hinweisen: etwa eine wirtschaftliche Unsicherheit oder das Ende eines Zinserhöhungszyklus.
Interpretation: Anleger sind unentschlossen oder erwarten eine Stagnation.
Kurzfristige Zinssätze liegen über den langfristigen. Das widerspricht der üblichen Erwartung und ist ein Warnzeichen.
Interpretation: Anleger erwarten sinkende Zinsen in Zukunft - häufig im Zuge einer wirtschaftlichen Abschwächung. Inverse Kurven gelten als zuverlässiger Vorläufer von Rezessionen. Im Artikel zur inversen Zinsstrukturkurve erklären wir anschaulich, warum dieses Phänomen bedeutend ist.
2 Jahre | 3,21 % | ||
5 Jahre | 2,89 % | ||
10 Jahre | 2,54 % |
Laufzeit | Rendite deutscher Bundesanleihen |
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2 Jahre | 3,21 % |
5 Jahre | 2,89 % |
10 Jahre | 2,54 % |
Die Kurve ist derzeit invers, was bedeutet, dass der Markt kurzfristig mit höheren Zinssätzen rechnet als langfristig. Dies deutet auf zunehmende Sorgen über die konjunkturelle Entwicklung hin. Wer die Dynamik besser verstehen will, findet im Artikel Wie berechnet man den Wert einer Anleihe? eine fundierte Einführung in Rendite-, Barwert- und Bewertungsmodelle.
Die Form der Zinsstrukturkurve beeinflusst die Entscheidungen von Banken, Unternehmen und Privatinvestoren:
Instrumente wie Anleihen‑ETFs ermöglichen eine einfache Diversifikation im Zinsmarkt. Sie sind besonders hilfreich, wenn Zinsstrukturkurven unruhig werden.
Diese Theorie besagt, dass die Zinsstruktur die zukünftige Entwicklung der Zinssätze widerspiegelt.
➡ Eine inverse Kurve bedeutet demnach: Der Markt erwartet sinkende Leitzinsen - typischerweise als Reaktion auf eine drohende Rezession.
Anleger bevorzugen liquide, kurzfristige Anlagen. Um sie zu überzeugen, langfristig zu investieren, muss eine höhere Rendite geboten werden.
➡ Das erklärt die üblicherweise steigende Form der Kurve.
Unterschiedliche Investoren agieren in unterschiedlichen Laufzeitbereichen - unabhängig voneinander. Die Kurvenform ergibt sich aus Angebot und Nachfrage in jedem Segment.
➡ Damit lassen sich auch ungewöhnliche Kurvenformen erklären.
In der Praxis spielen alle drei Theorien in unterschiedlichem Maß eine Rolle. Für Leser mit Interesse an tiefergehender Analyse: Der Beitrag Was ist die Konvexität von Anleihen? erläutert, wie sich Kursänderungen bei Zinsschwankungen erklären lassen.
Die Zinsstrukturkurve ist einer der zuverlässigsten Indikatoren zur Vorhersage wirtschaftlicher Abschwünge. In mehreren Fällen, vor allem in den USA, ging eine Inversion der Kurve einer Rezession voraus:
2000 | Invers | Platzen der Dotcom-Blase | |||
2006/2007 | Invers | Finanzkrise & Weltrezession | |||
2019/2020 | Invers | Abschwung, verstärkt durch Covid-19 | |||
2022/2023 | Invers (USA) | Zinsschock und Verlangsamung 2023 |
Jahr | Kurvenform | Wirtschaftliche Folge |
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2000 | Invers | Platzen der Dotcom-Blase |
2006/2007 | Invers | Finanzkrise & Weltrezession |
2019/2020 | Invers | Abschwung, verstärkt durch Covid-19 |
2022/2023 | Invers (USA) | Zinsschock und Verlangsamung 2023 |
Auch in Deutschland zeigte sich eine inverse Struktur vor der Flaute in 2023. Die Zinsstrukturkurve kann also als wertvoller Frühindikator verstanden werden, aber mit dem wichtigen Hinweis: Sie zeigt keine genauen Zeitpunkte, sondern Tendenzen.
Die Zinskurve kann für die Anlagestrategie wertvoll sein - besonders bei Anleiheninvestitionen oder zur Steuerung der Duration eines Portfolios.
Tipp: Auch für Zinswetten (z. B. über Futures, Swaps oder Anleihen-ETFs) ist die Zinskurve ein wichtiges Steuerungsinstrument.
Die aktuelle invers verlaufende Zinsstrukturkurve in Deutschland und anderen Industrienationen deutet auf anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit hin. Für Anleger, Banken und Unternehmen liefert sie wichtige Hinweise auf zu erwartende Zinsschritte, Rezessionsrisiken und strategische Entscheidungen.
Wer die Funktionsweise und Aussagekraft der Kurve versteht, kann sich frühzeitig auf veränderte Marktbedingungen einstellen und entsprechende Maßnahmen treffen.